Überschrift
Ab dieser Flucht sind die Bewegungen und Taten von Theodore Robert Bundy sehr genau nachvollziehbar. Sie werfen ein Licht auf das, was sich seit Jahren abgespielt haben musste. Und von den Ermittlungsbehörden bis heute nicht ganz aufgeklärt ist.
Mit einem gestohlenen Auto fuhr er aus der Stadt. Als das Auto liegenblieb, nahm ihn ein freundlicher Fahrer mit. Von einer Kleinstadt aus fuhr er mit einen Bus nach Denver. Wo er einfach einen Flug buchen konnte.
Als die Wache sein Verschwinden 17 Stunden später bemerkte, war er bereits in Chicago, über 1800 Kilometer entfernt.
Die Flucht setzte sich entsprechend fort, wobei er zumindest in einer Kneipe der Nähe von Chicago identifiziert wurde. Mit gestohlenen Autos und Bussen erreichte er etwa eine Woche später Florida.
Das finanzierte er mit Gelegenheitsdiebstählen, vor allem von Portemonnaies und Kreditkarten, die Kundinnen von Supermärkten in den Einkaufswagen unbeaufsichtigt ließen.
Nach einer Nacht in einem Holliday Inn mietete er sich in einer Pension ein. Laut späteren Aussagen wollte er ab hier ein normales Leben führen, da die Flucht ja nun geglückt war.
Das ist jedoch schwer zu glauben. Die Pension lag in unmittelbarer Nähe zum Campus der Florida State University in Tallahassee.
Was dann geschah ist einer der Gründe, warum Bundy für Psychologen und Profiler später von so großem Interesse sein würde. Denn viele Aspekte Bundys lassen sich auf andere Serienmörder übertragen.
Es kam zu dem, was später als Eskalation bezeichnet werden sollte.
Überschrift
In den frühen Morgenstunden des 15. Januar 1978 stieg Bundy durch ein Fenster mit einem defekten Schließmechanismus im Erdgeschoss in das Haus der Studentinnen-Verbindung Chi Omega ein. Kaum mehr als zwei Wochen nach seiner Flucht.
Er ging in das erste Schlafzimmer, wo er die schlafende, 21-jährige Margaret Bowman mit einem Holzscheit schlug und mit einem Nylonstrumpf erwürgte. Anschließend schlug er auch die 20-jährigen Lisa Levy besinnungslos, auch sie erwürgte er. Er biss ihr eine Brustwarze ab, fügte ihr weitere, schwere Bisswunden zu und vergewaltigte ihren leblosen Körper mit einer Dose Haarspray.
Anschließend ging er in das benachbarte Zimmer. Dort schliefen die Studentinnen Kathy Kleiner und Karen Chandler. Auf beide schlug er mit dem Holzscheit ein, wobei er ihnen den Kiefer brach, Zähne ausschlug und weitere schwere Verletzungen beibrachte.
Kathy Kleiner sagte später aus, sie hätten wohl nur überlebt, weil in dem Moment ein Auto vorbei fuhr und das Scheinwerferlicht das Zimmer erhellte.
Als Bundy floh, wurde er von einer weiteren Studentin, Nita Neary, gesehen. Die zufällig zu dem Zeitpunkt das Wohnheim durch die Hintertür betrat.
Die Ermittler schätzten später, dass der Angriff kaum 15 Minuten gedauert hatte. Etwa 30 Zeugen in Hörreichweite hatten nichts gehört.
Während die Polzei am Chi Omega eintraf, brach Bundy in das acht Blocks entfernte Erdgeschoss-Apartment der Studentin Cheryl Thomas ein. Auch sie überfiel er im Schlaf. Auch sie überlebte zwar, trug jedoch fünf Schädelfrakturen, Taubheit und Gleichgewichtsstörungen davon. Ihre Tanzkarriere war in einer Nacht durch Theodore Robert Bundy beendet worden, bevor sie begann.
Die Polizei fand später Samenspuren auf dem Bett, ohne dass Bundy sein Cheryl Thomas vergewaltigt hätte. Und eine Nylon Maske mit zwei Haaren, die denen von Bundy ähnlich waren. DNA-Tests gab es noch nicht.
Überschrift
Am 8. Februar wartete die 14-jährige Leslie Parmenter auf einem Parkplatz auf ihre Brüder, 240 km von Tallahassee entfernt. Sie war die Tochter des Chefermittlers von Jacksonville.
Dort wurde sie von einem Richard Burton von der Feuerwehr angesprochen. Merkwürdigerweise fuhr der jedoch einen Van der Florida State University. Als die Brüder eintrafen, verschwand Richard Burton.
Später stellte sich heraus, dass Richard Burton tatsächlich Ted Bundy war. Und der Van von der Universität gestohlen, an der er zuvor fünft Studentinnen angegriffen und zwei von ihnen getötet hatte.
Am nächsten morgen wurde die 12-jährige Kimberly Dianne Leach von ihrem Lehrer in einen anderen Raum geschickt, weil sie dort eine Tasche vergessen hatte. Sie kehrte nie in ihre Klasse zurück.
Ihre Überreste wurden sieben Wochen später über 50 km entfernt gefunden, in der Schweinebox einer verlassenen Schweinezucht. Sie war vergewaltigt und durch mehrere Messerstiche zum Hals getötet worden.
Überschrift
Der Fahndungsdruck auf Bundy nahm zu, der sich immer noch in Tallahassee aufhielt. Zudem ging ihm offenbar das Geld aus. Also stahl er erneut ein Auto, um sich zu entziehen.
Einige Tage später wurde er um 01:00 Uhr morgens in Pensacola von dem Streifenpolizisten David Lee angehalten, über 300 km von Tallahassee entfernt. Dem Polizisten war das als gestohlen gemeldete Auto aufgefallen. Es war ein VW Käfer.
Als er Bundy festnehmen wollte, trat ihm dieser die Beine weg und versuchte zu fliehen. Nach zwei Warnschüssen und einer Rangelei konnte Lee ihn festnehmen.
In dem Auto wurde eine Sonnenbrille und eine schwarze Hose gefunden, die „Richard Burton“ von der Feuerwehr in Jacksonville zugeordnet werden konnten.
Als Lee Bundy zum Gefängnis fuhr, sagte dieser „Ich wünschte, sie hätten mich erschossen“. Zu dem Zeitpunkt hatte Lee keine Ahnung, dass er einen der meistgesuchten Verbrecher gefasst hatte. Der ganz oben auf der FBI Liste der „Most Wanted“ stand.
Gefasst per Zufall. Erneut.
Überschrift
Der Prozess im Juni 1979 erregte großes Aufsehen. Denn es war der erste Prozess, der bundesweit – auch live – übertragen wurde. So etwas hatte es zuvor nie gegeben.
Erneut trat Bundy auch als eigener Verteidiger auf, wobei er allerdings auch Anwälte hatte. Die sabotierte er aber ständig und wechselte sie auch. Prozessbeobachter sagten später, dass die Anklagen ihm gleichgültig zu sein schienen, so lange er am Ruder war und das Gefühl der Kontrolle hatte.
Denkwürdig ist die Szene, in der er selber den Polizeibeamten befragte, der als erster das Chi Omega Haus betreten hatte. Ständig ermahnte er ihn, seine Eindrücke vom Tatort genau zu schildern. Etwas, was kein Verteidiger normalerweise tun würde. Eher das genaue Gegenteil: Er führte den Geschworenen das Grauen vor Augen.
Er reichte Anträge zum Essen im Gefängnis ein. Und es gab sogar eine Ortbegehung des Richters, ob das Licht seiner Zelle ausreiche, um die Prozessakten lesen zu können. Einmal weigerte er sich seine Zelle zu verlassen und zum Prozess zu erscheinen. Er hatte das Schloss seiner Zellentüre mit nassem Papier verstopft, so dass es nicht geöffnet werden konnte.
Er gab nette Interviews im Gerichtssaal. Was ihm gestattet werden musste, da er ja auch Verteidiger war. Er spielte seinen Charme aus.
Der Gerichtssaal war voll, vor allem mit jungen Frauen. Täglich mit dabei war seine ehemalige Arbeitskollegin Carole Ann Boone, die bereits Geld für ihn geschmuggelt hatte.
Ihm wurde auch einer der aus amerikanischen Filmen bekannten Deals angeboten: Würde er sich für die Morde an Levy, Bowman und Leach schuldig bekennen, würde die Staatsanwaltschaft sich mit 75 Jahren begnügen. Bundy lehnte in letzter Minute ab.
Die Jury sprach ihn schuldig. Der Richter Edwart Cowart verhängte die Todesstrafe.
Überschrift
Nach weiteren sechs Monaten gab es einen weiteren Prozess zur Ermordung der 12-jährigen Kimberly Leach. Es gab Berichte von Augenzeugen, die gesehen hatten, wie Bundy sie zum Fahrzeug geführt hatte. Zudem wurden auf dem Körper von Kimberly Leach und in dem gestohlenen Van Fasern gefunden, die einen ungewöhnlichen Fehler in der Fertigung aufwiesen. Diese passten zu der Jacke, die Bundy trug, als er gefasst wurde.
Während des Prozesses kam es zu einer weiteren obskuren Szene.
Bundy berief sich auf ein angeblich zutreffendes Gesetz des Staates Florida, nach dem Erklärungen einer Hochzeit in einem Gerichtssaal die Heirat rechtmäßig machen würden. Er machte der anwesenden Carole Boone vor laufenden Kameras, den diese annahm. Anschließend erklärte er selber die Hochzeit somit für rechtsgültig geschlossen.
Das konnte nicht verhindern, dass Bundy erneut zur Todesstrafe verurteilt wurde.
Bundy war im Florida State Prison untergebracht. Die Wachen waren dafür bekannt, dass sie gegen Bestechung eigentlich unerlaubte Kontakte zwischen Insassen und Besucherinnen zuließen. Carole Boone erzählte später belustigt, dass der Sex nur wenige Sekunden dauerte, und Wachen dabei im Raum waren. So wurde Ted Bundy im Oktober 1981 Vater einer Tochter, die den Namen Bundy erhielt.
Überschrift
In der Folgezeit kam es zu weiteren Fluchtversuchen und bemerkenswerten Begegnungen. So musste seine vermeintliche Ehefrau Carole Boone für ihn nicht nur Geld, sondern auch Werkzeuge geschmuggelt haben. Und Drogen, die sie vaginal in das Gefängnis schmuggelte und er anal in seine Zelle brachte.
1984 wurden Sägeblätter in Bundys Zelle gefunden. Ein Gitterstab in seinem Zellenfenster war bereits zersägt, aber mit selbstgemachtem Klebstoff aus Seife wieder eingefügt worden.
Kurz danach wurde disziplinarisch gegen Bundy ermittelt. Er stand verdeckt mit dem Mithäftling John Warnock Hinckley Jr. in Korrespondenz, der drei Jahre zuvor versucht hatte den Präsidenten Ronald Reagan zu erschießen. Um der Schauspielerin Jodie Foster zu imponieren. Die – skurril genug – später die Hauptrolle in dem Film Schweigen der Lämmer spielen würde, dessen Romanvorlage viele Aspekte Bundys verwendet.
Hinckley wurde später als nicht zurechnungsfähig beurteilt und soll 2022 entlassen werden.
Am 24. Januar 1989 wurde Theodore Robert Bundy um 07:16 Uhr auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.